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verändern.«
Wenige Jahre später wurden mit den ersten echten Heimcomputern
dem Apple II, dem Commodore PET und dem TRS-80 von Tandy
tatsächlich die digitalen Produktionsmittel in die Hände der
Normalbürger gegeben.
Deutschlands Alternative und die Angst vor dem Rechner
In Deutschland studierte Wau Holland derweil die in den Kreisen dieser
kalifornischen Hacker geborene Hippiezeitschrift »CoEvolution
Quarterly« und Phreaker-Postillen wie das stets am Rande der Legalität
operierende Blättchen »TAP«, das konkrete Anleitungen zur Überlistung
der US-Telefonnetze enthielt. Holland beschloss, dass hier nun wirklich
die Möglichkeiten zu einer positiven Umgestaltung der Gesellschaft
vorlagen. Ohne jedoch viele seiner damaligen Mitstreiter mitnehmen zu
können auf diesem Weg.
Während sich in Kalifornien der Geist der Hippies und die Leidenschaft
der Hacker für das Basteln und Programmieren miteinander verbanden
und eine fruchtbare Melange ergaben, pflegten weite Teile der deutschen
linksalternativen Szene eine grundsätzliche Skepsis, ja Abneigung gegen
jede Art von technologischem Fortschritt. Computer galten den
Achtundsechzigern und ihren Nachfolgern als Unterdrückungs- und
Herrschaftsinstrumente, man assoziierte sie mit Rasterfahndung,
Überwachung und technokratischer Kontrolle der Bevölkerung. Die
Diskussion über die Volkszählung, die in den Achtzigern so heftig
geführt wurde, war immer auch eine Diskussion über digitale
Datenbanken und die Möglichkeit, dass sie staatlicherseits missbraucht
werden könnten.
Weitgehend vergeblich forderte der CCC, ganz im Geiste der People s
Computer Company, die »Wiederaneignung der Technik«. Wau Holland
predigte: »Die sozialen Bewegungen, die sich vernetzen, rütteln am
System«, und nahm damit die digital organisierten
Globalisierungskritiker der kommenden Jahre vorweg. Doch
Deutschlands Linke waren noch längst nicht so weit. Jedenfalls in weiten
Teilen. Zwar entstanden schon Mitte der Achtziger erste linke
Mailboxen, hauptsächlich auf Basis einer Software namens Zerberus, die
sich zum sogenannten Z-Netz zusammenschlossen. Seit Beginn der
neunziger Jahre wurden sie mit dem CL-Netz in eine größere
Infrastruktur eingebunden, die vor allem von Menschen aus dem linken
Spektrum, von Mitgliedern der Friedensbewegung,
Anti-Atomkraft-Gruppen, Amnesty International und anderen
Organisationen zum Informationsaustausch und für Diskussionsforen
genutzt wurden. Doch öffentliche Aufmerksamkeit erreichten diese
Anstrengungen kaum.
Der größte Coup gelang 1989, als Bürgerrechtsaktivisten aus der DDR
kritische Texte und Demonstrationsaufrufe über das CL-Netz in den
Westen schmuggelten: Für einen Moment hatte digitale Technologie
einen Spalt in den Eisernen Vorhang gerissen. 1994 hatte das CL-Netz
Schätzungen zufolge in ganz Europa 20 000 Teilnehmer. Das Internet
nutzten damals bereits Millionen Menschen. 1996 entschied man, sich
vom Internet »abzugrenzen« und »auf eigene Strukturen« zu setzen.
Damit wurde das linke Netzwerk innerhalb weniger Jahre obsolet, die
meisten Nutzer wanderten zu anderen Angeboten ab. Heute existiert das
CL-Netz als wenig beachtetes Webforum weiter. Verdient gemacht
haben sich um die digitale Linke auch die Medienkünstler Rena Tangens
und padeluun, die mit dem CL-Netz zu tun hatten und später mit dem
»Big Brother Award« eine bis heute international beachtete
Schelte-Institution für Datenschutzsünder schufen.
Im Vergleich zu den Linksalternativen im Bundestag waren die Gründer
und Mitglieder dieser linken Netzwerke ihrer Zeit weit voraus. Noch in
der zweiten Hälfte der Achtziger weigerten sich die Grünen, an einem
Modellprojekt teilzunehmen, in dessen Rahmen Bundestagsabgeordnete
mit vernetzten Rechnern ausgestattet werden sollten. Der CCC hatte
ihnen in einem eigens bestellten Gutachten dringend empfohlen, sich
diese Technologie anzueignen und deren Vorteile in ihrem Sinne zu
nutzen, doch die missionarischen Hacker stießen damit auf eine
unüberwindbare ideologische Barriere. »Wenn die Grünen diese von
unten kommende Entwicklung ideologisch ignorieren oder verbieten,
blockieren sie gleichzeitig die Chance einer praktischen Entwicklung
alternativer Nutzungsformen«, mahnten die Autoren vom CCC. »Selbst
die Fantasie der sogenannten Alternativ-Szene«, hieß es in der Studie
weiter, sei »kaum in der Lage, das Medium Computer mit eigenen
Bedürfnissen zu verbinden«. Daran sollten auch die Bemühungen der
Berater aus dem Club vorerst nichts ändern.
Als die Studie der Bundestagsfraktion der Grünen vorgestellt wurde,
verließen die ersten Abgeordneten schon nach Minuten entnervt den
Saal. Von der Überzeugung, dass digitale Technologie von Übel und
prinzipiell abzulehnen war, ließen sich Deutschlands linksalternative
Parlamentarier nicht abbringen. Die Bundestagsfraktion der Grünen war
die einzige, deren Büros nicht mit ISDN-vernetzten Rechnern
ausgestattet wurde. Ausgerechnet den Konservativen im Bundestag, der
schwarz-gelben Regierung unter Helmut Kohl, fiel somit die Aufgabe
zu, die Weichen für die digitale Zukunft zu stellen. Auch sie aber taten
so gut wie nichts außer 1986 ein Anti-Hacker-Gesetz zu
verabschieden, das Einbruch in Computersysteme und Datendiebstahl
unter Strafe stellte.
Hippie-Impresario Stewart Brand, der Herausgeber des »Whole Earth
Catalog«, schrieb im Jahr 1995 einen rückblickenden Artikel für
»Time«, in dem er eine ganz andere Beobachtung ins Zentrum stellte.
Unter der Überschrift »Wir verdanken alles den Hippies« war da zu
lesen: »Vergesst die Antikriegsdemonstrationen, Woodstock, sogar die
langen Haare. Das wahre Erbe der Generation der Sechziger ist die
Computerrevolution.«
Der Chaos Computer Club: BTX, Wau und VAXen
Der KGB-Hack war nicht die erste spektakuläre Tat deutscher Hacker.
Bereits 1984 hatte der damals noch nicht einmal als e. V. verfasste Chaos
Computer Club mit einer anderen Aktion von sich reden gemacht, die
ironischerweise mehr Geld eingebracht hätte, als die KGB-Hacker
jemals verdienten mit ihrem Geheimnisverrat. Mit Hilfe eines unter
mysteriösen Umständen erlangten Passwortes loggten sich die
CCC-Hacker in die BTX-Mailbox der Hamburger Sparkasse HaSpa ein.
Anschließend brachten sie ein Programm zum Laufen, das nur eine
einzige Aufgabe hatte: eine gebührenpflichtige Seite innerhalb des
BTX-Angebots, das der CCC selbst betrieb, aufzurufen. Und zwar
immer wieder, für einen Obolus von 9,97 D-Mark je Zugriff, alles in
allem 13 500-mal. Eine Nacht lang ratterte der Computer und fiepte der
Akustikkoppler und am nächsten Morgen war der Chaos Computer
Club, rein theoretisch, um rund 135 000 D-Mark reicher.
Die deutschen Hacker fühlten sich jedoch einer weitergehenden Ethik
verpflichtet als den Regeln von Steven Levy: Sie kündigten umgehend
an, das Geld zurückzuschicken, sobald es auf dem CCC-Konto eingehen
würde. Es sei ihnen nur darum gegangen, die Schwachstellen des
BTX-Systems offenzulegen. Tatsächlich ging es wohl nicht zuletzt
darum, dem BTX-Betreiber, der Deutschen Bundespost, eins
auszuwischen, und um den puren Spaß am digitalen Unfug. Der
Staatsmonopolist galt den Hackern um Holland als Inbegriff von
Technokratie, kreativitätshemmendem Zentralismus und staatlich
gelenkter Gängelung. Wer beispielsweise einen Computer über einen
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